Therapie des Glaukoms

Einleitung

Ziel einer jeden Glaukomtherapie ist es, den Sehnerv und damit das Gesichtsfeld zu erhalten und zu verhindern, dass die Krankheit fortschreitet. In aller Regel wird ein Glaukom zunächst medikamentös behandelt. Verläuft diese Therapie nicht erfolgreich, kommt eine Laserbehandlung oder schließlich eine Operation in Frage.

4.1 Die medikamentöse Glaukomtherapie

Die medikamentöse Therapie ist in den allermeisten Fällen eine lebenslange Maßnahme. Medikamente werden grundsätzlich als Augentropfen verabreicht. Eine systemische Therapie, also die Einnahme von Tabletten, ist nur in Ausnahmefällen z.B. bei einem akuten Glaukomanfall für eine kurzfristige Senkung des Augeninnendrucks angezeigt.

Die medikamentöse Glaukomtherapie verfolgt drei Ziele:

  1. Senkung des AugeninnendrucksAlle bisher verfügbaren Glaukommedikamente senken den Augeninnendruck. Je nach Wirkmechanismus erreichen einige Medikamente die Senkung des Augeninnendrucks, indem sie die Kammerwasserproduktion herabsetzen, während andere Wirkstoffe den Kammerwasserabfluss verbessern. Gelingt es, den Augeninnendruck zu senken, wird der Sehnerv mechanisch entlastet und die Nährstoffversorgung von Netzhaut und Sehnerv verbessert.
  2. Verbesserung der Netzhaut- und SehnervdurchblutungZahlreiche Untersuchungen belegen, dass bei Glaukompatienten die Durchblutung oder die Regulation der Blutversorgung an Netzhaut- und Sehnerv gestört ist. Aus diesem Grund wäre ein positiver Einfluss auf die Sehnerv- und Netzhautdurchblutung wünschenswert. Wenn gleichzeitig der Augeninnendruck gesenkt und die Durchblutung verbessert wird, spricht man von Co-Regulation.
  3. Schutz der Nervenzellen vor schädigenden Einflüssen (Neuroprotektion)Das Glaukom über bestimmte Wege den Untergang von Nervenzellen. Gelingt es, diesen Untergang der Nervenzellen medikamentös zu verhindern oder zu verlangsamen, spricht man von Neuroprotektion. Diese Form der Glaukomtherapie lässt sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nur im Tierversuch belegen.

Die wichtigsten Ziele einer medikamentösen Therapie sind die Senkung eines erhöhten Augeninnendrucks und die Verbesserung der Durchblutung der Netzhaut.

Mit allen zur Verfügung stehenden Medikamenten soll ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden. Bei der Wahl des geeigneten Medikamentes richtet der Arzt sich nach der individuellen Wirksamkeit und nach den auftretenden Nebenwirkungen sowie Gegenanzeigen der einzelnen Medikamentengruppen. Bei allen Glaukommedikamenten muss auch mit Allergien gerechnet werden.

Es können grundsätzlich drei Klassen von Medikamenten unterschieden werden:

  • Betablocker
  • Moderne und innovative Medikamente
  • Traditionelle Antiglaukomatosa

Diese Medikamente werden einzeln (als Monotherapie) oder – falls die allein mit einem Präparat bewirkte Senkung des Augeninnendrucks nicht ausreicht – auch in Kombination angewendet.

4.1.1 Betablocker — weltweit der Goldstandard

Nachdem Betablocker sich in Tablettenform in der Inneren Medizin etabliert hatten (zur Behandlung von u.a. Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck) wurden sie 1978 in Form von Augentropfen bei uns in die Glaukomtherapie eingeführt. Die erste Substanz und die am häufigsten verordnete war das Timolol, später folgten die ebenfalls in diese Klasse gehörenden Wirkstoffe Propanolol, Betaxolol, Levobunolol, Metipranolol, Carteolol, Pindolol und Befunolol. Die Betablocker erwarben sich schnell den Ruf, der “Goldstandard” in der Glaukomtherapie zu sein und auch heute noch sind sie eine ganz wichtige Behandlungsoption. Ein unbestreitbarer Vorzug: Ärzte wie Patienten verfügen nach mehr als einem Vierteljahrhundert des Gebrauchs und angesichts von Millionen mit ihnen druckregulierter Patienten auf fünf Kontinenten über einen immensen Erfahrungsschatz, können ihren Nutzen und ihre Risiken sehr gut einschätzen und gegeneinander abwägen.

Betablocker sind auch heute noch weltweit die am häufigsten eingesetzten Glaukompräparate. Gerade in den ärmeren Ländern, in denen die modernen, aber wesentlich teuereren Antiglaukomatosa für Millionen von Patienten kaum erschwinglich sind, werden die preisgünstigen Betablocker mit gutem Erfolg bei der Verhinderung von Glaukomblindheit eingesetzt. Auch in den Industrienationen sind sie für viele Patienten eine unverzichtbare Wirkstoffklasse.

Stellt der Arzt keine Gegenanzeigen wie Asthma, niedrigen Blutdruck oder bestimmte Herzerkrankungen fest, bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung dieser bewährten Medikamente. Sie müssen ein- bis zweimal täglich getropft werden und verursachen in aller Regel lokal wenige Probleme. Betablocker senken den Augeninnendruck über eine Drosselung der Kammerwasserproduktion.

Betablocker werden auch häufig in Kombinationen, z.B. mit einem Carboanhydrasehemmer, eingesetzt. Für Patienten, die auf Konservierungsstoffe allergisch regieren, stehen unkonservierte Einmaldosen zur Verfügung. Auf dem Markt ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Betablocker-Augentropfen erhältlich. Der am häufigsten eingesetzte Betablocker ist das Timolol.

4.1.2 Moderne und innovative Medikamente

  • Lokale CarboanhydrasehemmerSeit einigen Jahren gibt es mit Dorzolamid den ersten Carboanhydrasehemmer in Form von Augentropfen, der nur noch lokal am Auge wirkt. Vor kurzen ist eine zweite Substanz, das Brinzolamid hinzugekommen, dass in Form einer Suspension angeboten wird. Die Hemmung des Enzyms Carboanhydrase reguliert die Kammerwasserproduktion und senkt somit den Augeninnendruck. Außerdem sprechen zahlreiche Untersuchungen mit Dorzolamid dafür, dass die Substanz auch direkt die Durchblutung an Sehnerv und Netzhaut verbessern kann. Dies wäre ein großer Vorteil für alle Patienten, die zusätzlich unter durchblutungsbedingten Risikofaktoren wie z.B. Migräne, zu niedrigem oder zu hohem Blutdruck, kalten Händen oder Füßen leiden oder an Diaetes.Dass Dorzolamid auch die Sauerstoffversorgung des Sehnervs verbessert, hat sich in Untersuchungen am Tier erwiesen. Lokal kann nach dem Eintropfen kurzfristig zu eine Bindehautreizung auftreten und gelegentlich ein metallischer Geschmack im Mund. Dorzolamid wird in der Monotherapie dreimal täglich angewendet und in der Kombination mit Betablockern zweimal täglich.
  • ProstaglandinderivateProstaglandine sind relativ neu in der Therapie. Da diese Substanzen schon in sehr kleinen Mengen wirken, sollte die einmal tägliche Gabe nicht überschritten werden. Prostaglandine bewirken vermutlich eine Entspannung des Ziliarmuskels und über den Ab- bzw. Umbau von Strukturen im Ziliarmuskel eine Verbesserung des Kammerwasserabflusses. Hierbei wird ein Abflussweg genutzt, der von der Natur ansonsten kaum in Anspruch genommen wird. Dadurch kann der Augeninnendruck wirksam gesenkt werden. Während der Prostaglandintherapie kann in 20 bis 25 % der Fälle eine Augenrötung auftreten. In einigen Fällen kann sich die Iris dauerhaft verfärben. Von einigen Patienten wird als eine weitere ungewöhnliche Nebenwirkung verstärktes Wimpernwachstum beobachtet. Im Tierexperiment hat sich Latanoprost als gefäßverengend erwiesen. Welche Bedeutung diese Wirkung für den therapeutischen Erfolg hat, muss noch weiter untersucht werden. Weitere Substanzen dieser Wirkstoffklasse stehen kurz vor der Zulassung. Die Wirkstoffe Travoprost und Bimatoprost sind bereits zugelassen.
  • Alpha AgonistenEine neues Medikament aus der Klasse der alpha adrenergen Substanzen gehören ist das Brimonidin . Ältere Präparate sind Clonidin und Apraclonidin. Im Gegensatz zu diesen hat Brimonidin weniger Nebenwirkungen, da es sehr viel spezifischer auf einen bestimmten Typ Alpharezeptoren (Alpha-2-Selektivität) wirkt. Brimonidin senkt wahrscheinlich die Kammerwasserproduktion und hat einen positiven Einfluß auf dessen Abfluss. Die Ergebnisse von Tierversuchen lassen zusätzlich eine neuroprotektive Wirksamkeit vermuten. Nebenwirkungen können eine Blutdrucksenkung, Müdigkeit und Mundtrockenheit sein.

4.1.3 Traditionelle Antiglaukomatosa

Pilocarpin und seine verwandten Substanzen sind bereits seit 1876 im Einsatz und waren die ersten lokalen Glaukommedikamente. Sie senken den Augeninnendruck, indem sie die Kanälchen weiten, durch die das Kammerwassers abfließt. Wegen ihrer pupillenverengenden Wirkung (griechisch: Miosis) werden Sie auch Miotika genannt. Alte Menschen mit einer zusätzlichen Linsentrübung fühlen sich durch die Miosis beeinträchtigt. Aber auch jüngere Patienten klagen über schlechtes Dämmerungssehen, Blendempfindlichkeit und eine durch das Medikament hervorgerufene Kurzsichtigkeit. Zur Gruppe der Parasympathomimetika gehören neben Pilocarpin auch Carbachol und Eserin.

Zu den älteren Glaukompräparaten gehören auch die bereits angesprochen Alpha-Agonisten Clonidin und Apraclonidin. Clonidin wird, so formuliert es der Schweizer Glaukomexperte Prof. Josef Flammer, wegen seiner blutdrucksenkenden Nebenwirkung (vor allem in höheren Konzentrationen) nur noch als Reservemedikament eingesetzt.

4.1.4 Kombinationstherapie

Kann mit der Monotherapie der Augeninnendruck nicht ausreichend gesenkt werden oder wird das Gesichtsfeld trotz guter Drucksenkung schlechter, werden in aller Regel Kombinationen eingesetzt. Besonders, wenn durchblutungsbedingte Risikofaktoren hinzukommen, sollte über die zusätzliche Gabe eines Carboanhydrasehemmers nachgedacht werden. Als fixe Kombinationen stehen Betablocker mit Pilocarpin, Betablocker mit Carboanhydrasehemmer und Betablocker mit Prostaglandinderivat zur Verfügung. Kombinationen haben für den Patienten mehrere Vorteile: Sie sind leichter anwendbar, belasten das Auge weniger mit Konservierungsstoffen als zwei Einzelsubstanzen und die Gefahr des „Auswascheffektes“ wird verhindert. In besonderen Fällen muss jedoch auch auf eine freie Zweier- oder gar Dreier-Therapie ausgewichen werden.

4.1.5 Tropfung von Medikamenten

Ist ein Glaukom festgestellt, werden Glaukom-Medikamente in aller Regel als Augentropfen verabreicht. Die medikamentöse Therapie begleitet den Patienten sein Leben lang und erfordert seine Mitarbeit, die auch als „Compliance“ bezeichnet wird.

Leider ist die Compliance des Patienten häufig nicht optimal. Vielleicht liegt es daran, dass zu Beginn der Erkrankung die Sehleistung nicht schwerwiegend beeinträchtigt ist und die Gefahr der Erblindung verdrängt wird. So manchem Patienten ist das regelmäßige Tropfen zu lästig und verursacht ihm die eine oder andere Unannehmlichkeit. Glaukommedikamente enthalten hochwirksame Wirkstoffe und vom Glaukompatienten müssen meist auch geringe Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. Wer jedoch die Gefahren des Glaukoms kennt, ist auch motiviert, sich an die Therapie und Anweisungen des Arztes zu halten.

Bedenken Sie als Patient bitte folgendes: Sie tropfen nicht für den Arzt sondern damit Sie nicht erblinden!

Sollten Sie mit Ihrer Therapie nicht zurecht kommen, sprechen Sie mit dem Augenarzt darüber und handeln Sie nicht eigenmächtig.

Bei der Anwendung der Augentropfen sind folgende Punkte zu beachten:

  • Halten Sie sich an die Anweisung Ihres Augenarztes. Wie häufig und zu welcher Tageszeit welche Tropfen angewendet werden müssen, ist entscheidend für den Therapieerfolg. Nehmen Sie Ihre Augentropfen grundsätzlich nach Vorschrift und zu den empfohlenen Zeiten – ausnahmslos. Ihr Sehvermögen ist Ihnen diese Sorgfalt wert.
  • Machen Sie sich mit Ihrer Tropfflasche und deren Anwendung vertraut. Beim Tropfen sollten Sie den Kopf leicht nach hinten beugen und nach oben blicken. Ziehen Sie das Unterlid etwas vom Auge ab und üben Sie einen leichten Druck auf die Flasche aus, sodass ein Tropfen genau in den Bindehautsack fällt.
  • Wenn Sie mehrere Medikamente hintereinander tropfen müssen, halten Sie einen Tropfabstand von mindestens 5 Minuten ein, damit die zweiten Augentropfen nicht die ersten wieder auswaschen.
  • Gehen Sie mit Ihren Tropfflaschen und dem Verschluss hygienisch um. Berühren Sie beim Tropfen das Auge nicht mit der Flasche. Auch das Reinigen des Tropfers mit Wasser oder gar Seife ist nicht sinnvoll.

Augentropfung

4.2 Lasertherapie und Chirurgie

In über 90 % aller Fälle erreicht man mit Medikamenten eine ausreichende Senkung des Augeninnendrucks, daher sind operative Eingriffe selten. Operationen werden in aller Regel nur durchgeführt, wenn die medikamentöse Therapie nicht zu einer ausreichenden Drucksenkung führt, ein Glaukomschaden trotz Therapie fortschreitet oder erhebliche Unverträglichkeiten der Medikamente auftreten.

Sowohl Lasertherapie als auch Glaukomoperationen dienen in erster Linie dazu, den Augeninnendruck zu senken. Die Durchblutung der Netzhaut kann durch diese Eingriffe nur indirekt verbessert werden.

4.2.1 Laseriridotomie

Die Laseriridotomie ist eine Methode, mit der ausschließlich Druckdifferenzen zwischen der vorderen und hinteren Augenkammer ausgeglichen werden können (z.B. beim akuten Winkelblockglaukom oder beim Pigmentglaukom). Die Druckdifferenz wird beseitigt, indem mit einem Laser ein kleines Loch in die Regenbogenhaut gestanzt wird. Der kurze Eingriff erfolgt unter lokaler Betäubung des Auges.

Laseriridotomie

4.2.2 Lasertrabekuloplastik

Die Lasertrabekuloplastik (LTP) ist eine gebräuchliche Methode, um den Kammerwasserabfluss zu verbessern. Der Eingriff ist unter lokaler Betäubung ist für den Patienten meist schmerzfrei. Er kann direkt nach der Behandlung nach Hause gehen.

Mit einem Laser werden an der Spaltlampe über ein Kontaktglas ca. 50 bis100 Laserherde in das Trabekelwerk gesetzt. Die Drucksenkung wird durch eine Verbesserung des Kammerwasserabflusses erreicht, da die Lasernarben die Kontraktilität im Trabekelwerk herabsetzen. Die Laserbehandlung führt in den meisten Fällen zu einer unmittelbaren Drucksenkung (60 %), leider sind diese Erfolge häufig nicht so dauerhaft, dass auf eine medikamentöse Therapie langfristig ganz verzichtet werden kann.

Trabekuloplastik mit einem Argonlaser

4.2.3 Trabekulektomie

Die Trabekulektomie ist die gängigste Methode der Filtrationschirurgie, ein sehr sicherer und meist auch erfolgreicher Eingriff. Durch die Operation wird für das Kammerwasser ein neuer Abfluss geschaffen. Dazu wird in der Nähe des Trabekelmaschenwerks ein kleines Stückchen der Lederhaut (Sklera) entfernt und die darrüberliegende Bindehaut wieder verschlossen. Das Kammerwasser kann über diese Öffnung aus der vorderen Augenkammer nach außen zur Bindehaut absickern und wird dort über die großen Gefäße der Bindehaut entsorgt.

Trabekulektomie

Die Operation erfolgt in örtlicher Betäubung und teilweise auch ambulant. Nach dem Eingriff, der etwa eine halbe Stunde dauert, wird das Auge mit einem Verband verschlossen, den der Augenarzt oft schon am nächsten Tag wieder entfernt. Für die nächsten Wochen müssen entzündungshemmende Medikamente getropft werden und regelmäßige augenärztliche Kontrollen erfolgen. Im Idealfall ist eine permanente Drucksenkung ohne weitere Medikamenteneinnahme durchaus möglich.

 

4.2.4 Kanaloplastik

 

Eine neue Operationsmethode, die in den letzten Monaten viel mediale Aufmerksamkeit erlangt hat, ist die 360 Grad-Kanaloplastik. Der wichtigste Unterschied zur Trabekulektomie, die immer noch als “Goldstandard” der Glaukomchirurgie gilt: es wird keine Öffnung nach aussen, unter die Bindehaut, angelegt. Statt dessen wird der natürliche Abfluss des Kammerwassers im Auge über den sogenannten Schlemmschen Kanal mit einem Mikrokatheter erweitert, der über des Kanals gesamten Verlauf vorgeschoben wird – rundherum um die Iris, daher der Namenszusatz “360 Grad”. Eine wichtige Komplikation der sogenannten fistulierenden Operationen, eine zu starke Senkung des Augeninnendrucks, scheint damit ausgeschlossen zu sein. Allerdings ist die Methode noch sehr neu, so dass niemand genau sagen kann, wie ein mit einer Kanaloplastik operiertes Auge nach 10 oder 20 Jahren aussieht und ob ggf. Langzeitkomplikationen zu erwarten sind. Auch scheint es momentan nicht so, als habe sich die Kanaloplastik an allen operativen Zentren durchgesetzt.